Häuser aus Gießen
Nachbau
Erbaut: vor 1616
Zerstört: 6. Dezember 1944
Rekonstruiert: 2001 bis 2003, Teile in 2012 und 2016 saniert
Die sogenannte Nordzeile des Marktplatzes besteht nicht aus Original-, sondern aus Nachbauten. Da keine Wohn- und Geschäftshäuser aus hessischen Kleinstädten zur Verfügung standen, wurde ein Neubau von fünf zusammenhängenden und einem Einzelgebäude nach historischen Fotografien und Bauplänen vorgenommen. Ausgewählt wurden die Gruppen Gießen, Marktplatz 21-23 sowie Gießen, Kirchenplatz 13 und 14. Die Fachwerkbauten hatten bis zu ihrer kriegsbedingten Zerstörung im Bereich des Gießener Marktplatzes gestanden. Es wurden nur die Fassaden rekonstruiert. Der gesamte Baukörper gehört heute zu einem Hotel.
Das eindrucksvolle Gebäude Gießen, Marktplatz 11 bildet im Freilichtmuseum den linken Abschluss der Nordzeile. In Gießen hatte es auf der schräg gegenüberliegenden Straßenseite gestanden. Die Rekonstruktion im Museum bot sich an, da der gut dokumentierte Bau bereits am Originalstandort ein Solitär war und damit der Anschluss an weitere Gebäude fehlte. Das Haus war vor der Zerstörung das am reichsten ausgestattete Bürgerhaus am Ort. Es wurde laut Inschrift 1619 erbaut und beherbergte die alte Apotheke. Zusammen mit seinem Nachbarhaus bietet es ein anschauliches Beispiel für die Entwicklung des Bürgerhauses vom späten Mittelalter bis zum Anfang des 17. Jahrhunderts. Dabei fiel das Haus aus dem Rahmen der üblichen Bürgerhäuser heraus. Ein Bauherr suchte hier durch einen ungewöhnlichen Bau seine gesellschaftliche Stellung zu betonen. Das Haus blieb mit seiner reichen Gliederung ein architektonischer Fremdling und sprengte den organischen Aufbau des Gießener Marktplatzes. Das Gebäude hatte fünf Geschosse, wobei die beiden unteren noch in einer Konstruktionseinheit zusammengefasst waren. Bedeutendster Teil der Obergeschosse war ein großer schräggestellter Eck-Erker. Seine Fenster boten eine uneingeschränkte Aussicht auf das Leben und Treiben auf dem Marktplatz.
Wie am alten Standort, so wurden auch im Freilichtmuseum im Erdgeschoss Ladengeschäfte eingerichtet. Der Eck-Erker musste aufgrund einer Verschlechterung der Hölzer 2012 mit einer Schieferverkleidung geschützt werden.
Das dreigeschossige Haus Loos, Gießen, Kirchenplatz 13, war am Originalstandort, wie hier im Museum, mit der Traufseite zur Ecke des Marktplatzes und mit der Giebelseite zum Kirchenplatz hin ausgerichtet. Es grenzt an das Haus Marktplatz 23. Beide Häuser hatten gleiche Geschosshöhen und -auskragungen und waren in Gießen unter einem gemeinsamen Traufendach erbaut worden. Da beide Häuser ursprünglich Bürgerhäuser waren, befanden sich jeweils hinter den Gebäuden Höfe und Nebengebäude.
Gießen, Marktplatz 22, ist ein nur 5,20 Meter breites viergeschossiges Haus mit einer Firsthöhe von 12,10 Metern. In den Städten war der Baugrund so wertvoll, dass man auf geringer Fläche die notwendigen Wohn- und Ladenflächen durch den Bau in die Höhe zu gewinnen suchte. So zog sich der Laden häufig über das Unter- und Zwischengeschoss. Dieser Bau wurde handwerklich genutzt, so dass keine land-wirtschaftlichen Nebengebäude notwendig waren.
Die Fassade der Gebäude Gießen, Marktplatz 21 und Gießen, Kirchenplatz 14 wurde nach Fotografien aus den Jahren 1903/1904 rekonstruiert. In der Gießener Zeile sind heute Geschäfte und das „Landhotel Zum Hessenpark“ untergebracht.