Der Friseurberuf – ein Handwerk des Körpers
Friseurladen aus Steinau an der Straße
Im einstigen Lehrerwohnhaus aus Idstein ist heute ein historischer Friseurladen aus Steinau an der Straße untergebracht. Die Raumaufteilung dieses Friseurladens ist mit der des Gebäudes aus Idstein fast identisch. Die meisten Einrichtungsgegenstände stammen aus der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg. Das älteste Möbelstück aus der Zeit der Jahrhundertwende ist ein Haarwaschbecken, das rechts vom Frisiertisch steht. Der Friseurladen wurde 1890 von Nikolaus Spielmann begründet. Er ging nach seiner Friseurlehre auf Wanderschaft und kam dabei nach Paris, wo er für kurze Zeit arbeitete. Nach seiner Rückkehr legte er die Meisterprüfung ab und machte sich, als gerade Zwanzigjähriger, als Barbier und Herrenfriseur selbstständig. Ein ländliches oder kleinstädtisches Friseurgeschäft war nur in den Abendstunden und an Sonntagen zu betreiben. Diese Arbeitszeiten ermöglichten es dem Friseur, eine Nebenerwerbslandwirtschaft aufrecht zu erhalten. Nikolaus Spielmann besaß drei bis vier Kühe, darunter zwei Fahrkühe, mit denen er seine Felder bewirtschaftete. In den ersten Jahren verfügte der Friseur wohl eher nicht über einen regelrechten Arbeitsraum. Bärte und Haare wurden zunächst in der elterlichen Stube gestutzt. Erst nach und nach richtete er einen Geschäftsraum ein. Darauf weist auch die heute noch vorhandene Ladeneinrichtung hin, die nicht aus einem Guss ist. Der 1899 geborene Sohn von Nikolaus Spielmann, Heinrich, führte das Geschäft bis 1991 weiter. Vom Spielmännje sind allerlei Anekdoten überliefert. Das Steinauer Original stand noch im hohen Alter von 90 Jahren fast täglich im Salon und frisierte seine Stammkunden.
Neu integriert in die Originaleinrichtung des Salons Spielmann wurden eine Hörstation, in der ein ehemaliger Stammgast von seinen Friseurbesuchen erzählt, und ein Filmausschnitt, den der Hessische Rundfunk 1988 mit Heinrich Spielmann und Mitgliedern des heutigen Bartklubs Gründau-Steinau gedreht hat. Eine kleine Ausstellungseinheit zum Thema Handwerk und landwirtschaftlichen Nebenerwerb befindet sich im Raum nebenan.
Geschichte des Friseurhandwerks
Der Beruf des Friseurs, wie wir ihn heute verstehen, entstand erst gegen 1900. In der frühen Neuzeit war das Bart- und Haareschneiden Aufgabe der Bader, die ihre Badstuben in Städten und größeren Ortschaften betrieben. Neben dem Baden und Rasieren führten sie auch sogenannte niedere chirurgische Eingriffe wie das Zähneziehen durch. Im 19. Jahrhundert wurden dann allmählich die medizinischen Aspekte von der Körperpflege getrennt. 1871 wurde in Berlin der Bund deutscher Barbiere, Friseure und Perückenmacher gegründet. In ländlichen Gebieten schnitt man sich die Haare oft weiterhin selbst oder man ging zum Nachbarn oder zu einer anderen Person, die für ihr besonderes Geschick bekannt war.
In diese Zeit fallen die Anfänge des Friseurladens von Nikolaus Spielmann. Während sich das Mobiliar seit den 1920er-Jahren dort kaum veränderte, machten die Arbeitsgeräte des Friseurs eine rasante Entwicklung durch. In der Anfangsphase waren die wichtigsten Handwerkszeuge Rasiermesser und Schere. Das Rasieren war im ländlichen Raum ursprünglich die wichtigste Arbeit des Friseurs. Bis um 1900 wurden die Haare nur mit Kamm und Schere geschnitten. Dann kam die Handschneidemaschine auf, mit der das Haar effiliert, also ausgedünnt werden konnte. Damit wurden mechanisierte Kurzhaarschnitte möglich. Die ersten elektrischen Geräte setzten sich in den 1930er-Jahren durch. In dieser Zeit entwickelte sich auch das Friseurgeschäft für Frauen, der Damensalon, auf dem Land. Die Arbeit in der Landwirtschaft machte den Frauen ursprünglich eine kunstvolle Gestaltung der Frisur unmöglich. Man trug als junges Mädchen Zöpfe, später wurde das lange Haar zu einem Knoten zusammengebunden. Dies war praktisch, unter anderem weil das Haar so weniger schnell schmutzig wurde. Seit den 1930er-Jahren wurde die städtische Kurzhaarmode besonders von den jungen Frauen auf dem Land übernommen, anfangs mit dem Bubikopf, später mit der Dauerwelle. Auf dem Land setzten sich neue Methoden manchmal erst lange nach ihrer Erfindung durch. Altes und Neues wurde häufig nebeneinander praktiziert.
Im Obergeschoss können sich Besucher über die neuere Geschichte des Friseurhandwerks informieren. Der zweite Teil der Dauerausstellung knüpft an die Hauptarbeit im Friseursalon Spielmann um 1900 an: das Rasieren und gelegentliche Haareschneiden. Wer es sich leisten konnte, kam täglich zum Rasieren, andere selten, zu besonderen Gelegenheiten oder gar nicht. Nach dem Ersten Weltkrieg brach das Rasiergeschäft langsam weg. Immer mehr Männer rasierten sich mit modernen Sicherheitsrasierern selbst. In den 1950er-Jahren wurde viel Geld für die neumodischen Elektrotrockenrasierer ausgegeben. Als Ausgleich zum dramatischen Rückgang der professionellen Herrenrasur gewann das Damengeschäft immer mehr an Bedeutung. Wechselnde Moden und Schönheitsideale, verbunden mit den Errungenschaften der Ondulation, der Heiß- und Kaltwelle verschafften Friseuren und vor allem Friseurinnen, früher Frisösen gen, bessere Verdienstmöglichkeiten, ermöglichten den Sprung in die Selbständigkeit und stellen handwerklich-technische Herausforderungen dar.
In der Dauerausstellung hat daher ein kleiner Damensalon aus Frankfurt Heddernheim Platz gefunden, der mit seiner bescheidenen Größe von sechs Quadratmetern bis vor wenigen Jahren seiner Betreiberin eine nebenberufliche Existenz sicherte. An bestimmten Tagen ist außerdem ein Frisierplatz aus einem ehemaligen Salon in Bommersheim geöffnet, an dem gelernte Friseure und Friseurinnen ihr handwerkliches Können unter Beweis stellen.