Wagnerei
Bis um 1950 gehörte der Wagner, in einigen Regionen auch Stellmacher genannt, zu den üblichen Dorfhandwerkern. Ähnlich wie der Schmied hatte er eine Schlüsselfunktion in der ländlichen Gesellschaft, denn er ermöglichte die Mobilität. Der Wagner verfertigte Räder, Schubkarren, Handwagen, Kuh- und Pferdewagen, Schlitten, Kutschen sowie Gestelle für Pflüge und Eggen. Darüber hinaus stellte er Werkzeugteile, Leitern, Lattenzäune und Backschießer für das Backhaus her.
Zur Anfertigung von Wagenrädern, die alltäglich starken Belastungen ausgesetzt waren, hielt der Wagner große Mengen von verschiedenartigem Holz vorrätig. Für die Nabe, die nicht reißen durfte, war Rüsterholz (Ulme) am besten geeignet. Für die Speichen verwendete der Wagner abgelagertes, haltbares Eichenholz. Die Felgen, die biegsam und doch beständig sein mussten, wurden aus Esche hergestellt. Zunächst arbeitete der Handwerker die Nabe aus dem Holzklotz grob aus und drehte sie auf der – fußbetriebenen und später mit Transmission angetriebenen – Drehbank rund. Die Löcher für die Speichen wurden mit der Bohrwinde vorgebohrt, danach mit dem Stemmeisen sauber ausgearbeitet.
Die mit dem Beil und auf der Hobelbank vorbereiteten Speichen wurden dann mit dem Schnitzmesser in die endgültige Form gebracht. Jede Speiche erhielt an dem einen Ende einen Zapfen zur Aufnahme in die Radnabe, am anderen Ende wurde sie kreisrund abgedreht, damit sie in die Felge eingepasst werden konnte. Nachdem die Felgen ausgeschnitten und die Speichenlöcher konisch hineingebohrt worden waren, konnte das Rad zusammengesetzt werden. War die Holzarbeit des Wagners beendet, legte der Schmied, meist gemeinsam mit dem Wagner, den eisernen Laufreifen des Rades auf. Dazu musste der vorbereitete Eisenreifen erhitzt und heiß um die hölzernen Felgen gelegt werden. Nach dem Abkühlen mit Wasser zog der Reifen die Holzteile zu einer festen Einheit zusammen. Damit war das Wagenrad einsatzbereit.
Seit dem Ende der 1930er Jahre waren die Produkte des Wagnerhandwerks immer weniger gefragt; nach dem Zweiten Weltkrieg kam es zum Erliegen.