Ackerwildkräuter
Entgegen der alten Volksweisheit „Unkraut vergeht nicht“ sind viele Wildkräuter, die früher in großer Vielfalt auf den Ackerflächen zu finden waren, heute vom Aussterben bedroht oder bereits verschwunden. Gegen Pestizideinsätze, verbesserte Saatgutreinigung und die ausgeklügelten Hack- und Striegeltechniken der modernen Landwirtschaft können sich nur die wenigsten Arten durchsetzen. Klettenlabkraut oder Klatschmohn trotzen noch auf vielen Äckern den Bekämpfungsmaßnahmen. Andere Ackerwildkräuter haben den Kampf längst verloren oder sind zumindest stark gefährdet.
Als zertifizierter Arche-Park setzen wir uns nicht nur für die Züchtung und Pflege alter Nutztierrassen ein. Auch den Erhalt alter Kulturpflanzen hat sich das Museum auf die Fahnen geschrieben. Aber gehören Ackerwildkräuter tatsächlich zu den schützenswerten Kulturpflanzen? Und wozu braucht man eigentlich Unkraut? Volker Weber, Fachbereichsleiter für historische Landwirtschaft & Umwelt im Freilichtmuseum Hessenpark, fallen viele Gründe ein: „Mit jeder Pflanzenart, die verschwindet, verlieren wir alle Eigenschaften dieser Art. Wer sich in der Pflanzenzüchtung nicht nur auf die Möglichkeiten und Risiken der Gentechnik verlassen will, braucht die Vielfalt der Wildkräuter, um mit bewährten Züchtungsmethoden besondere Eigenschaften auf Nutz- oder Zierpflanzen zu übertragen.“ Ein weiteres Plus der Wildkräuter: Sie erhalten wichtige Wechselwirkungen im ökologischen Gleichgewicht, zum Beispiel als Futterpflanze für bestimmte Schmetterlingsraupen. Auch die Kräutermedizin kennt viele Wildkräuter mit heilenden Eigenschaften. Und wenn man genau hinschaut, sehen viele der Ackerwildkräuter auch noch wunderschön aus.
Zusammen mit dem Feld-Flora-Reservat der Stadt Nidderau und der Servicestelle Forsteinrichtung und Naturschutz von Hessen-Forst (FENA) hat der Hessenpark deshalb 2013 eine Initiative für den Erhalt seltener Ackerwildkräuter gestartet. Seitdem werden regelmäßig Samen echter Pflanzenraritäten wie dem Rundblättrigen Hasenohr oder dem Strahlen-Breitsame von den Kulturbeeten des Feld-Flora-Reservates zur Etablierung auf den Ackerflächen des Freilichtmuseums übergeben. Auf den Beeten des Feld-Flora-Reservates der Stadt Nidderau werden unter Leitung von Mascha Werth über 60 der gefährdeten Ackerwildkräuterarten kultiviert. Erforderlich für die Aufzucht sind viel Sachverstand und Handarbeit, denn Ackerwildkräuter sind an Ackerbedingungen angepasst. Sie benötigen also einen Boden, der landwirtschaftlich bearbeitet wird. Auf der grünen Wiese können sich diese Arten nicht durchsetzen.
Die historische Landwirtschaft im Freilichtmuseum Hessenpark bietet optimale Bedingungen für die bedrohten Arten, denn hier wird nach den Richtlinien des ökologischen Anbaus und mit historischen Kulturmethoden gewirtschaftet. Da bleibt viel Platz für die wilden Raritäten. Welche der seltenen Ackerwildkräuter dauerhaft ihren Weg vom Feld-Flora-Reservat zurück in den Ackerbau finden, wird sich im Laufe der nächsten Jahre herausstellen. Bei einer Aufwuchskontrolle im Sommer 2015 zeigten sich erste Erfolge. Eine Gruppe von Experten des Feld-Flora-Reservates Nidderau, der Forsteinrichtung Naturschutz Hessen (FENA) und des Freilichtmuseums Hessenpark machte sich im Kornfeld auf die Suche nach verlorenen Schätzen. Insgesamt konnten fünf Arten blühend auf den historischen Terrassenäckern gefunden werden.